Interview vom 29. Mai 2007 anläßlich ihres 25. Todestages:
Ikone Romy Schneider
“Sie hat sich vergiftet, bis ihr Herz stehen blieb“
Kaum jemand kannte Romy Schneider besser als der französische Schauspieler Jean-Claude Brialy. Im Interview spricht der 74-Jährige über seine langjährige Freundschaft mit der in Frankreich hochverehrten Schauspielerin und beschreibt, wie er heute vor 25 Jahren ihren Todestag erlebte.
SPIEGEL: Monsieur Brialy, 1999 kürte die französische Tageszeitung “Le Parisien“ Romy Schneider in einer Umfrage zur größten Schauspielerin des 20. Jahrhunderts. Warum so viel Bewunderung für einen deutschen Star in Frankreich?
Brialy: Zunächst einmal sind wir in Frankreich nicht sektiererisch. Wir bewunderten Ingrid Bergman, Greta Garbo, Marlene Dietrich oder Anna Magnani. Wenn uns jemand durch sein Talent berührt, und Romy Schneider ganz besonders durch ihre Schönheit, dann adoptieren wir sie und machen keinen Unterschied. Die Franzosen haben nie wieder eine Schauspielerin gefunden, die so schön, so sinnlich, so sensibel ist. Sie war nicht so intellektuell wie die Moreau und nicht so kühl wie die Deneuve. Sie war die Konzentration all dessen, was die Franzosen lieben: Emotion.
SPIEGEL: Mit einem gehörigen Maß an Melancholie. Sah man Romy Schneider in Frankreich als deutsche Romantikerin?
Brialy: Nein, ich glaube nicht. Schon deshalb, weil achtzig Prozent der Franzosen gar nicht wissen, was die deutsche Romantik ist. Ich glaube, sie sind ganz natürlich und instinktiv auf diese Frau zugegangen. Die Männer waren sofort total verliebt, und die Frauen waren nicht allzu eifersüchtig, weil sie so viel Talent hatte. Darum haben sie ihr alles verziehen, auch wenn ihr Privatleben, wie das von Edith Piaf, oft chaotisch war. Ich war 25 Jahre mit ihr befreundet, und was ihr Liebesleben mit Alain Delon anging, habe ich zu ihr gesagt: “Du hast das Schlimmste gewählt. Ich kenne den Jungen ein wenig, der ist nichts für Dich.“ Aber es war, als ob sie vom Teufel angezogen wurde, vom Abgrund. Sie hatte danach Affären mit sehr wichtigen Leuten, die geheim gehalten wurden, ich rede von Politikern und großen Musikern.
SPIEGEL: Sie haben Romy Schneider 1958 bei den Dreharbeiten zu “Christine“ kennen gelernt. Damals verliebte sie sich in Delon. Als sich die beiden kennenlernten, sprach sie kaum Französisch. Haben sie den Übersetzer gespielt?
Brialy: Ganz und gar nicht. Liebe braucht doch keine Worte! Sie unterhielten sich in einer Art Kauderwelsch und brauchten mich nicht, um irgend etwas zu regeln.
SPIEGEL: Es heißt, Magda Schneider hätte lieber Sie als Alain Delon an der Seite ihrer Tochter gesehen.
Brialy: Sie fand mich wohl höflicher und charmanter. Alain Delon hatte den Ruf eines Gauners, obwohl das nicht stimmte. Er liebte aber zwielichtige Milieus, und das beunruhigte sie. Sie dachte: Meine Tochter, die so wohlbehütet aufwuchs, wird mit diesem Jungen leben, der fähig ist, ihr einen Revolver an die Stirn zu halten. Ich dagegen wirkte wie der ideale Schwiegersohn.
SPIEGEL: In Deutschland gilt Alain Delon immer noch als derjenige, der unsere Sissi vom rechten Weg abgebracht hat.
Brialy: Aber nein! Die beiden waren wirklich sehr, sehr verliebt ineinander und blieben fünf Jahre zusammen. Sie waren sich ebenbürtig in Talent, Ruhm und Geld. Ihre Beziehung war sehr exzessiv. Die beiden gefielen sich in einer täglichen Schlacht: Romy war eifersüchtig und autoritär, Alain ehrgeizig und besitzergreifend. Da waren zwei Menschen, die sich gegenseitig belauerten, die manchmal sehr hart miteinander umgingen. Aber sehen sich doch große Liebesgeschichten an, lesen Sie Georges Sand und Chopin, lesen Sie Verlaine und Rimbaud: Ihre tägliche Beziehung zueinander war keineswegs sanft
SPIEGEL: Romy Schneider nannte Sie “Papa“, obwohl Sie kaum älter waren. Fühlten Sie sich als eine Art Ersatzvater?
Brialy: Nein, eher als ihr Bruder. Ihr zweiter Bruder, aber sie nannte mich “Papa“. Ich glaube, weil sie ihren Vater so sehr liebte und verehrte und das Vertrauen in ihn auf mich übertrug. Sie vertraute mir ihren Kummer an oder rief mich an, wenn sie glücklich war. Ich brachte sie zum Lachen, und Romy liebte es, zu lachen, sie liebte das Leben. Sie war das Gegenteil einer melancholischen Frau.
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