Koranauslegung & islamisches Recht
zu 60 essenziellen Glaubensfragen, Dogmen und Normen
Im Diskurs über den Islam ist die Kenntnis der Koranexegese von zentraler Bedeutung. Wie anerkannte Exegeten und sunnitische Rechtsschulen verschiedene Koranverse interpretieren und welche Bedeutung diese für das Leben der Gläubigen haben, erschließt sich dem nicht-arabischsprachigen Leser jedoch nur schwer. Die Übersetzung zentraler Koranexegeten und Rechtstexte ins Deutsche ermöglicht erstmals dem Leser einen eigenständigen Zugang zu diesen wichtigen Quellen, um sich fundiert mit dem sunnitischen Verständnis zu höchst relevanten Scharia-Bestimmungen auseinanderzusetzen.
In den letzten Jahrzehnten gab es Versuche, den Koran im Kontext der Moderne auszulegen. Besonders aus Interesse an einem friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher Religionen in westlichen Gesellschaften bemühen sich einige Islamreformer darum, durch eine zeitgemäße Koraninterpretation ein akzeptables Koranverständnis zu konzipieren, das mit westlichen Vorstellungen in Einklang steht und den interreligiösen Dialog fördern soll. Im Zuge dieser Bemühungen werden jedoch einige Koranpassagen, die als problematisch oder anstößig empfunden werden, selektiv behandelt. Kritische und unbequeme Verse werden ignoriert, entschärft oder uminterpretiert. In manchen Fällen werden sie in einen rein historischen Kontext ohne Bezug zur Gegenwart verbannt oder schlichtweg als nicht mehr zeitgemäß deklariert.
Dieses selbst konstruierte Bild des Islam und die daraus resultierenden Deutungsmuster werden von Massenmedien und politischen Akteuren aufgegriffen und in die gesamte Gesellschaft übertragen. Es findet somit eine Reproduktion dieser verzerrten Darstellung des Islam statt, die den öffentlichen Diskurs über den Islam maßgeblich beeinflusst.
Die selektive Berichterstattung über den Islam in den Medien und die einseitige Darstellung durch politische Akteure prägen die thematische und inhaltliche Wahrnehmung des Islam in der Gesellschaft. Die Verbreitung eines vereinfachten und verzerrten Islambildes kann dazu genutzt werden, um politische Entscheidungen zu legitimieren. Durch eine beschwichtigende und positive Betrachtungsweise des Islam erhofft man sich Vorteile für die Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Friedens und die Bewältigung großer Herausforderungen und Probleme, für die bislang keine Lösung gefunden wurde.
Die Bemühungen, ein „akzeptables Koranverständnis“ für liberale Gesellschaften im Westen zu schaffen, stoßen jedoch an ihre Grenzen. Es bedarf hier keiner besonderen Betonung, dass sich die Nabelschnur, die den Muslimen im Westen ihre Identität und Orientierung verleiht, mit der Plazenta der islamischen Länder in Verbindung steht. Dort spielen Großgelehrte, Imame und Muftis eine zentrale Rolle in der Regulierung der Beziehung der Muslime zu einer nichtmuslimischen Gesellschaft. Diese erstellen Rechtsgutachten zu religiösen Fragen und unterweisen die Gläubigen weltweit in sämtlichen religiösen, gesellschaftlichen und politischen Belangen.
Die vorliegende Arbeit stützt sich auf eine umfangreiche Sammlung von Texten aus über 150 maßgeblichen islamischen Quellen. Diese Quellen repräsentieren ein breites Spektrum an Stimmen aus der islamischen Welt, von den Prophetengefährten und ihren Nachfolgern bis hin zu Exegeten, Philologen und Rechtsgelehrten aller Rechtsschulen. Diese Quellen haben das islamische Verständnis und das islamische Recht maßgeblich geprägt und geformt. Sie bilden bis heute die Grundlage der islamischen Theologie und dienen weltweit als Referenzquelle für Imame und Gelehrte in ihren Predigten, Rechtsgutachten und religiösen Unterweisungen.